Zum Vorgehen der Polizei bei der Demonstration am 30. August in Köln

Offener Brief des Freidenker-Landesverbands NRW an Herrn Herbert Reul, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, 3. September 2025

Sehr geehrter Herr Minister,

wir wenden uns an Sie, weil ein Mitglied unserer Organisation am Samstag, den 30.08.2025, Opfer von polizeilicher Gewalt und willkürlicher Einschränkung demokratischer Grundrechte geworden ist. Unser Mitglied ist gemeinsam mit ca. 3000 Demonstranten einem Aufruf des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“ und des Friedensforums Köln gefolgt, um von seinem demokratischen Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch zu machen. Unser 76jähriges Mitglied wunderte sich bereits vor Beginn der Kundgebung, dass die Polizei 1.600 Einsatzkräfte, Wasserwerfer und Räumungsfahrzeuge aufbot, um das Recht auf Demonstration zu sichern. Doch weit gefehlt: die Polizei hielt den Demonstrationszug erst einmal zwei Stunden fest, ehe er sich in Bewegung setzen konnte. Durch diese aus unserer Sicht unnötige Provokation wurde das Demonstrationsrecht bereits eingeschränkt.

Zu einem späteren Zeitpunkt wurden unser Mitglied und etwa 1000 weitere Demonstranten eingekesselt. Den „Eingekesselten“ wurden dann über Stunden der Toilettengang und Wasser verweigert. Als nach etwa drei Stunden unser Mitglied die Unterzeichnerin anrief und die Situation schilderte, hat sie sich umgehend telefonisch mit der Polizei in Verbindung gesetzt. Dort wurde ihr lapidar mitgeteilt: “Mitgefangen -Mitgehangen“. Dieser Spruch mag im wilden Westen vorgekommen sein, er hat nach Auffassung des Deutschen Freidenkerverbandes in einem demokratischen Rechtsstaat nichts verloren.

Nach ca. 10 Stunden ohne Wasser und Toilette wurde unser Mitglied von zwei Polizeibeamten aus dem Kessel geholt und zu Boden geworfen. Dabei wurde er im Gesicht verletzt, und sein Hörgerät ging verloren. Doch damit nicht genug. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei wurde ihm schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen und die Auflage erteilt, bis Sonntag, 31. August 2025, 17:00 Uhr, die Stadt Köln nicht zu verlassen. Dadurch konnte unser Mitglied nicht an einer Landeskonferenz des Deutschen Freidenkerverbandes NRW am Sonntag (Beginn 12 Uhr) teilnehmen, auf der er für den Landesvorstand kandidieren wollte. Während der gesamten Demonstration wurde nicht ein einziges Mal mit dem Verantwortlichen der Demonstration der Kontakt von der Polizei gesucht, um zu deeskalieren. Es mag dahingestellt sein, ob das Abbrennen von zwei pyrotechnischen Elementen und falsches Material von Fahnenstangen als Rechtfertigung herhalten kann, um 3000 Menschen das Recht auf Demonstration vorzuenthalten. Am gleichen Abend wurden während eines Fußballspiels in der Düsseldorfer Arena dutzende pyrotechnische Elemente eingesetzt, und niemand käme auf die Idee, die Verursacher über Stunden einzukesseln und das Fußballspiel aufzulösen.

Durch das Verhalten der Polizei wurde unserem Mitglied die Ausübung des Demonstrationsrechts und das Recht auf Vereinigungsfreiheit in unzumutbarer Weise eingeschränkt. Der Deutsche Freidenkerverband protestiert auf das Schärfste. Wir fordern Sie auf, gegen solche Auswüchse unverzüglich vorzugehen.

Mit freundlichen Grüßen
Edith Fröse
Vorsitzende des Deutschen Freidenkerverbandes NRW