Über Religionskritik und Atheismus (Protokoll der Veranstaltung mit Mark Hadyniak am 6. April 2013)

Mark Hadyniak stellte die Frage nach der Zielrichtung freidenkerischen Tuns  und bot uns Antworten zur Diskussion.

Dass er mit diesem Unterfangen in ein Wespennest stach, zeigte die anschliessende Diskussion: unterschiedliche Herangehensweisen und Motivationen zur freidenkerischen Arbeit traten zu Tage und werden sicherlich eine gute Ausgangsbasis für weiterführende Diskussion um unsere Schwerpunksetzungen bieten.

Doch zurück zum Vortrag des Referenten. Der Referent formulierte eingangs das Ziel, aus marxistisch-leninistischer Sicht die Aufgabe der Freidenker in den Klassenkämpfen, die in dieser Gesellschaft anstehen, zu bestimmen.

Verortet werden wir auf der Ebene der Kritik reaktionärer Ideologien und der Agitation für die Anwendung des dialiektischen Materialismus zur Aneignung der Wirklichkeit. Eine reaktionäre Ideologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht dem Stand der herrschenden Produktivkraftentwicklung entspricht bzw. ihm sogar widerspricht. Eine diese Gesellschaft seit Jahrhunderten prägende Variante ist die Religion. Nun haben aber sowohl die reaktionären als auch die progressiven Bewusstseinsformen ihre reale Basis in der Gesellschaft, in der wir leben.

Einerseits werden in der kapitalistischen Konkurrenz die Produktivkräfte rasant weiterententwickelt. Das ‚freie Spiel‘ der Kräfte hat jedoch seine Grenzen, nämlich die der privaten Aneignung. Die volle Entfaltung aller Möglichkeiten der Produktivkräfte weisen ab einer gewissen Stufe der Entwicklung über diese Grenzen hinaus und lassen die Vorstellung einer anderen Organisation der gesellschaftlichen Produktion aufscheinen. Die Produktivkräfte sind in ihrer Tendenz also ein progressives Element. In ihrer Vereinzelung werden die Akteure der Wissenschaften, die die Forschung und Entwicklung der Produktivkräfte vorantreiben, jedoch nicht diese Tendenzen erkennen. Nicht selten suchen sie ihre Position in dieser Gesellschaft über ’sinnstiftende‘ – dem eigentlichen Inhalt ihrer Arbeit widersprechenden – Ideologien.

Religiosität befällt ja nun nicht nur Teile der orientierungslosen Akademiker. Durch die Jahrhunderte war Religion immer eine Herrschaftsideologie, die auch heute noch dankend akzeptiert wird, nämlich von denen, die die Produktivkraftentwicklung zu erleiden haben. Der Mehrheit der Menschen tritt der von ihnen geschaffene Reichtum in all seinen Ausprägungen als Bedrohung ihrer eigenen Lebensgrundlagen gegenüber, der sie scheinbar machtlos ausgeliefert sind. So sind die zürnenden Götter also immer auch Widerspiegelung unverstandener Herrschaftsverhältnisse. (Friedrich Engels, Bd. 20, S. 249ff, MEW)

Genau hier soll die Arbeit der Freidenker ansetzen: den reaktionären Charakter der Religion als herrschaftserhaltend aufzuzeigen und die Bedingungen nennen, die die ‚Flucht in den Himmel‘ obsolet machen. Hierfür müssen wir sowohl die Vertreter der naturwissenschaftlichen Intelligenz als auch die grosse Mehrheit der Menschen in dieser Gesellschaft – wenn auch auf verschiedenen Ebenen – ansprechen. Denn nur mit beiden Gruppen können wir eine Gesellschaft aufbauen, in denen die Möglichkeiten der Produktivkräfte voll zur Entfaltung – also zum Nutzen aller Menschen – zur Geltung kommen.(W.I.Lenin, Über die Bedeutung des streitbaren Materialismus, Bd. 33, S. 213, MEW).

In unserer Agitation wird unser Leitfaden der Atheismus sein. Dieser jedoch ist als Ziel, nicht als Voraussetzung unserer Arbeit anzugeben. Denn unser Ziel ist ja die Revolutionierung der Lebensverhältnisse, die den Nebel in den Köpfen erzeugen. Und dafür müssen wir die Menschen erst gewinnen. Lenin, Bd. 10, Sozialismus und Religion (W.I.Lenin, Bd. 10, S.70-75 MEW).