»Prager Frühling« 1968 – Demokratisierung oder Demontage?

Vortrags- und Diskussionsveranstaltung
Referent: Klaus Kukuk, Berlin
Samstag, 11. Oktober 2014, 16 Uhr
Freidenker-Zentrum, Bayenstraße 11, 50678 Köln
(erreichbar  mit der KVB-Linie 15 u. 16  Haltestelle „Ubierring“
bzw. KVB-Bus-Linie 133  Haltestelle „Rheinauhafen“)

Lohnt sich heute noch eine Beschäftigung mit dem Prager Frühling? Sind die damaligen Ereignisse nicht hinreichend bekannt als Versuch eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, als eine „gewaltsame Niederschlagung der Demokratisierung“? Weniger bekannt allerdings und von seriösen Zeithistorikern anscheinend auch gar nicht untersucht ist die Frage, welche Reformkonzepte für die demokratischere Erneuerung der sozialistischen Gesellschaft in der CSSR damals tatsächlich vertreten wurden?
Erscheint nicht die zwanzig Jahre später in der Tschechoslowakei als »Samtene Revolution« inszenierte Restauration des Kapitalismus wie eine Fortsetzung der konterrevolutionären Komponenten des »Prager Frühlings«? Liegt darin nicht das späte Eingeständnis ihres  eigentlichen Charakters? Könnte man heute nicht den Bogen vom »Prager Frühlings« zu den „Farbrevolutionen“ in Georgien (2003: Rosenrevolution), in der Ukraine (2004: Orange Revolution) und  im Libanon (2005: Zedernrevolution) sowie in Kirgisistan (2005 und 2010: Tulpenrevolution) spannen, die von den USA/NATO-Mächten gefördert und gesteuert wurden. Und folgten auf den „Arabischen Frühling“ nicht 2011 der Angriffskrieg gegen Libyen und die im vierten Jahr andauernde Intervention gegen Syrien durch die USA/NATO-Mächte?
Da 1968 die Führung in Prag nicht die eigene Staatsmacht zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung nutzte, mussten die Verbündeten des Warschauer Vertrages nach langem vergeblichem Zureden selber handeln. So konnte die Geschlossenheit der sozialistischen Staatengemeinschaft gewahrt, der Status quo in Europa und das Gleichgewicht der Kräfte in der Welt zu vorerst erhalten bleiben. Ein notwendiger Schritt? Eine schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts?
Und schließlich die Frage: Was bedeutete der »Prager Frühlings« in dem politischen und ideologischen Prozess der schließlich zur Selbstauflösung der sozialistischen Staaten in Europa führte? Was bedeuten die Ereignisse für die Zukunft des Sozialismus?

Klaus Kukuk (geb. 1933) gelernter Rohrschlosser, Abitur an der Arbeiter- und Bauernfakultät Halle, Studium der tschechischen Sprache und Literatur an der Karls-Universität Prag, Absolvent des Instituts für Internationale Beziehungen in Potsdam, 1967 Eintritt in den Diplomatischen Dienst der DDR, insgesamt acht Jahre an der Botschaft in Prag. Herausgeber und Übersetzer von „Vasil Bilak, Wir riefen Moskau zu Hilfe: Der ‚Prager Frühling’ aus der Sicht eines Beteiligten“, Berlin: Edition Ost, 2006  und „Prag 1968: Unbekannte Dokumente“ (mit einer Einleitung von Horst Schneider), Berlin: Das Neue Berlin, 2008; Der Autor lebt in Berlin, forscht über tschechische Zeitgeschichte und engagiert sich für deutsch-tschechische Verständigung. Er ist verheiratet mit Ingeburg Kukuk, Slavistin und früher gleichfalls als DDR-Diplomatin in Prag tätig.